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Standpunkt 14.03.2024
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Standpunkt Steiger: Zwei Fragen und eine erstaunliche Selbstwahrnehmung

Wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

„Die USA sind nicht auf Kurs“, belehrte Wirtschaftsminister Robert Habeck bei seiner jüngsten US-Reise die Wirtschafts- und Klimapolitik des transatlantischen Partners. Anschließend pries er seine eigene Politik in höchsten Tönen: „Deutschland war es auch nicht. Jetzt bringe ich es auf Kurs.“ Trotz dieser offensiven Worte, fanden Habecks Appelle bezeichnender Weise nahezu keinerlei Resonanzboden in den amerikanischen Medien. Woran liegt dieses augenscheinliche Desinteresse? Offensichtlich kontrastiert das Selbstbild des Bundeswirtschaftsministers fundamental mit dem Blick ausländischer Partner und leider auch zunehmend mit der Wahrnehmung zu Hause.

Nur wenige Tage vor der US-Reise Habecks schrieb der Bundesrechnungshof in einem vernichtenden Sonderbericht und bezeichnender Weise fast Wortgleich: „Energiewende nicht auf Kurs“. Kurz zuvor musste Habeck bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts selbst einräumen, dass es kein Grünes Wirtschaftswunder geben wird. Deutschland wächst nicht nur im Moment nicht, sondern verliert erschreckender Weise auch das Potenzial dafür. Das geringe Potenzialwachstum hat dramatische Konsequenzen für Staatsfinanzen und Wohlstand, die noch nicht einmal im Ansatz kalibriert sind. Zur Ideologie werden Prinzipien dann, wenn sie sich von der Wirklichkeit entkoppeln und nicht mehr an ihr gemessen werden sollen. Führen wir diesen Prozess gerade vor?

Wie dramatisch die Situation ist, lässt sich anhand zweier eigentlich banaler Fragen aufzeigen. Lohnt es sich für mich als Bürger in Deutschland noch zu arbeiten? Und: Lohnt es sich für mich als Unternehmer, als Investor am Standort Deutschland zu investieren? Dass diese Fragen, in den letzten sieben Jahrzehnten ohne das geringste Zögern uneingeschränkt mit „Ja“ beantwortet wurden, hat ganz wesentlich mit dem Aufstiegsversprechen der Sozialen Marktwirtschaft zu tun und mit dem dahinterstehenden gesellschaftlichen Grundkonsens „Leistung muss sich lohnen“. Dass die Beantwortung der Fragen heute offensichtlich nicht mehr so eindeutig ist, zeigt, wie sehr die Prinzipien unserer Wirtschaftsordnung erodieren und muss uns alle im tiefsten Maße beunruhigen.

Zur ersten Frage, ob sich arbeiten noch lohnt. Wir haben Hunderttausende offene Stellen und Millionen von Menschen, die eigentlich arbeiten könnten. Es passt deshalb nicht in die Zeit, wenn wir uns von dem bewährten „Fördern und Fordern“-Prinzip der Hartz-Regelungen entfernen und Grundsicherungsempfänger nicht nur einen Realausgleich erhalten, sondern einen Kaufkraftgewinn bekommen. Eine Job-Aufnahme führt in manchen Fällen zu einer Transferentzugsrate von über 100 Prozent, - sprich: Sie gehen arbeiten und haben danach weniger, als vorher - was für den Arbeitsanreiz natürlich Gift ist. Auch für Menschen, die ein niedriges Einkommen haben, ist es mitunter ein Minus-Geschäft mehr zu arbeiten. Und dann wundern wir uns, dass eine Rekordanzahl von Bürgergeldempfängern, für genau 100 Euro im Monat arbeitet – das ist der Freibetrag, der noch nicht zu einer Reduktion des Bürgergelds führt – und gleichzeitig der Umfang der Schattenwirtschaft in nur 12 Monaten um 80 Milliarden Euro auf ein Rekordniveau von 463 Milliarden Euro hochschießt – 11 Prozent vom BIP!

Zur zweiten Frage, ob es sich momentan lohnt, in Deutschland zu investieren. Die Zahlen geben leider eine eindeutige Antwort: Nein, momentan nicht. Wir erleben die höchsten Nettoabflüsse von Unternehmenskapital, die es in Deutschland je gab. Seit über 50 Jahren werden diese Zahlen nun erhoben und die letzten drei Jahre belegen jeweils mit Abstand Gold, Silber und Bronze der schlechtesten Werte. Eine solche Höhe und Häufung darf nicht länger ignoriert werden. Hier geht es nicht um einmalige Umstellungen, Nachhol- oder Sondereffekte – wir sehen das manifestierte Misstrauen in die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Eine schallende Ohrfeige für die Rahmenbedingungen des Wirtschaftsstandortes.

In Deutschland scheinen wir die eigentlichen Botschaften der Sozialen Marktwirtschaft vergessen zu haben. Wir nehmen die immer weitere Ausweitung des Wohlfahrtsstaates als Selbstverständlichkeit und nicht als Ergebnis harter Leistung hin. Statt darüber zu reden, wie der Kuchen für alle vergrößert werden kann, konzentrieren wir uns derzeit nur noch auf das Verteilen. Zulasten derjenigen, die Wohlstand und Wachstum schaffen. Das geht nicht lange gut. Deshalb ist es höchste Zeit, auf den richtigen Kurs zurückzufinden.